ALLES IST IMMER SCHON DA
DR. CHRISTINE HAIDEN - VORSITZENDE LANDESKULTURBEIRAT OÖ
Mit den Bildern dieser Ausstellung kehren wir zurück in den Jänner und den Februar und in einen kühlen Sommer. Sehen und spüren Sie das? Blau, Grau, Antrazit, hie und da ein wenig Rosa oder Grün, Marie Ruprecht gönnt unseren Augen Aufenthalt. Sie müssen nicht rastlos über eine Fläche irren, sie können sich einlassen. Hier gibt es keine Botschaft, außer vielleicht der, ruhig zu werden, zu bleiben, zu verharren, der Wirkung nachzuspüren. Es ist die pure Natur, die uns in den neuen Werken der Künstlerin anspricht. Der einzige Mensch, der bei diesen Bildern wahrnehmbar ist, ist die Künstlerin selbst und auch sie nur indirekt, als Schöpferin des bereits Geschöpften, als impressionistische Expressionistin eines Innenraumes des Außenraumes.
Marie Ruprecht wohnt und arbeitet in Aschach an der Donau. Ihre täglichen Spaziergänge führen sie entlang des Treppelweges. Häuserzeilen und Uferlandschaften, die aufsteigenden Hügel des Mühlviertels, das Grün der Wälder und Wiesen, die Himmelsformationen in ihren ungeheuer vielfältigen Schattierungen von Weiß, Blau, Grau, Schwarz, und schließlich das Wasser, die Donau, die wie ein fließender Himmel unten das Oben aufnimmt.
Unsere Augen sehen das, unsere Sinne, unser Gemüt nimmt es auf. Wie durch ein Passepartout prägen sich der Künstlerin diese ständig wechselnden Stimmungen in der scheinbar immer gleichen Landschaft ein. Daheim in ihrem Atelier malt sie, was sich ihr vermittelt hat. Eine besondere Leinwand, die ihr bei einem Kunstsymposium in Wels im Vorjahr neue malerische Möglichkeiten eröffnet hat, findet dabei ihre Bestimmung. Sie ist die Materialität mit der die Immaterialität des Erlebens sich verbindet und neuen Ausdruck schafft. Sehr spontan und ohne Skizzen trägt Marie Ruprecht in mehreren, sehr nassen Schichten die Farben auf diese Leinwand. Das Ineinanderverfließen der Farben, die solcherart eine tragende Struktur aufbauen, entspricht dem Vorgang der künstlerischen Aneigung. So bilden sich Minimalismus und Fülle gemeinsam aus, bedingen einander und schließen einander nicht aus.
Als Doktorandin hat Marie Ruprecht sich das Thema „Strategien des Nichtdenkens in der Kunstproduktion“ gewählt. Ein halbes Jahr lang konnte sie in einem abgelegenen Landhaus in der Nähe von Tokio daran arbeiten. Bei Besuchen in Zenklöstern und der Beschäftigung mit der Philosophie des Zen entstanden für ihren späteren Weg starke Prägungen. Die Kunst des Weglassens als höchste Form der Konzentration, aber auch der Kunst, wie die japanische Tradition sie lehrt, entsprechen offenbar auch dem Wesen und der Intention der Künstlerin.
In ihren neuen Arbeiten forscht sie dem MA nach. MA ist ein japanischer Begriff, der nur sehr unzulänglich als Pause übersetzt werden kann. Für MA gibt es in unserer Sprache keine volle Entsprechung. Vielleicht auch, weil wir dieses MA nicht leben. Wie kann man es erklären? Als eine Pause, als ein Nichts, eine Leere, die aber in sich die Fülle der Möglichkeiten enthält. Dieses Innehalten, Leerwerdenlassen und Wahrnehmen von dem, was im Raum dazwischen ist, ist die Bedingung für Neues. Der Raum dazwischen ist der eigentliche Raum der Schöpfung. Er ist der Raum, der aus der Kommunikation entsteht, aus dem Aufnehmen des Gegenwärtigen. Wer genau schaut, nimmt diese Räume dazwischen auf, bewegt sich in ihnen, lässt sich auf sie ein, ohne sie besitzen oder festhalten zu wollen. Im Sein einfach sein, denn
alles ist immer schon da.
Auch die Landschaft ist immer schon da, die Natur in ihrer Vielschichtigkeit. Als Ergänzung zu den gemalten Werken schafft Marie Ruprecht derzeit auch plastische Wahrnehmungen der Natur. Sie gießt verlassene Vogelnester oder leere Bienenwaben mit Porzellan aus. Durch diesen Negativraum kann man das Innenleben einer uns sonst verschlossenen oder nur sehr flüchtig betrachteten Welt wahrnehmen. Sie ist nicht für uns bestimmt, und dennoch können wir uns durch diese natürlichen Habitate anderen Lebewesen nahe fühlen, uns in ihnen bewegen, zumindest mit den Augen. Wir sehen mit welcher architektonischen Akribie diese Tiere am Werk sind, wie kunstvoll sie sich einen Rückzugsraum schaffen. Um Rückzugsräume geht es der Künstlerin auch mit ihren neuen Arbeiten. Wie kann man Menschen zur Ruhe führen, welche Wege gibt, welche Möglichkeiten, Ruhe zu finden. Ihre Bilder sind ein Versuch, im Raum dazwischen Ruheräume zu schaffen, den Horizont zu weiten, „Blickfenster in einen Ruheraum“ zu sein. Diese Blickfenster sind, wie Kenner des Werkes von Marie Ruprecht auffallen wird, für diese Ausstellung überraschend groß geworden. Heinz Angerlehner hat sie dazu animiert und der Ausstellungsraum diese Intention noch verstärkt. In einem extra angemieteten Atelier der Künstlerin sind diese Arbeiten in einem intensiven Prozess innerhalb weniger Monate entstanden. Man kann sie auch als Tagebuch der Künstlerin lesen, als Aufbruch aus vertrauten Formaten, als Weiterentwicklung ihrer Formensprache, die zuletzt ganz dem Kreis zugewandt war.Nicht zuletzt ist Marie Ruprecht auch eine ästhetisch sehr behutsame und ausgewogene Künstlerin. Sie tariert fein aus, was es braucht, um den Raum dazwischen zu zeigen, ohne ihn bloßzustellen. Sie lässt uns sein, mit uns, mit ihren Bildern, mit dem, was ist, mit dem, was dazwischen ist, dem, was nicht ist, und dem, was möglich wird.
Mit den Bildern dieser Ausstellung kehren wir zurück in den Jänner und den Februar und in einen kühlen Sommer. Sehen und spüren Sie das? Blau, Grau, Antrazit, hie und da ein wenig Rosa oder Grün, Marie Ruprecht gönnt unseren Augen Aufenthalt. Sie müssen nicht rastlos über eine Fläche irren, sie können sich einlassen. Hier gibt es keine Botschaft, außer vielleicht der, ruhig zu werden, zu bleiben, zu verharren, der Wirkung nachzuspüren. Es ist die pure Natur, die uns in den neuen Werken der Künstlerin anspricht. Der einzige Mensch, der bei diesen Bildern wahrnehmbar ist, ist die Künstlerin selbst und auch sie nur indirekt, als Schöpferin des bereits Geschöpften, als impressionistische Expressionistin eines Innenraumes des Außenraumes.
Marie Ruprecht wohnt und arbeitet in Aschach an der Donau. Ihre täglichen Spaziergänge führen sie entlang des Treppelweges. Häuserzeilen und Uferlandschaften, die aufsteigenden Hügel des Mühlviertels, das Grün der Wälder und Wiesen, die Himmelsformationen in ihren ungeheuer vielfältigen Schattierungen von Weiß, Blau, Grau, Schwarz, und schließlich das Wasser, die Donau, die wie ein fließender Himmel unten das Oben aufnimmt.
Unsere Augen sehen das, unsere Sinne, unser Gemüt nimmt es auf. Wie durch ein Passepartout prägen sich der Künstlerin diese ständig wechselnden Stimmungen in der scheinbar immer gleichen Landschaft ein. Daheim in ihrem Atelier malt sie, was sich ihr vermittelt hat. Eine besondere Leinwand, die ihr bei einem Kunstsymposium in Wels im Vorjahr neue malerische Möglichkeiten eröffnet hat, findet dabei ihre Bestimmung. Sie ist die Materialität mit der die Immaterialität des Erlebens sich verbindet und neuen Ausdruck schafft. Sehr spontan und ohne Skizzen trägt Marie Ruprecht in mehreren, sehr nassen Schichten die Farben auf diese Leinwand. Das Ineinanderverfließen der Farben, die solcherart eine tragende Struktur aufbauen, entspricht dem Vorgang der künstlerischen Aneigung. So bilden sich Minimalismus und Fülle gemeinsam aus, bedingen einander und schließen einander nicht aus.
Als Doktorandin hat Marie Ruprecht sich das Thema „Strategien des Nichtdenkens in der Kunstproduktion“ gewählt. Ein halbes Jahr lang konnte sie in einem abgelegenen Landhaus in der Nähe von Tokio daran arbeiten. Bei Besuchen in Zenklöstern und der Beschäftigung mit der Philosophie des Zen entstanden für ihren späteren Weg starke Prägungen. Die Kunst des Weglassens als höchste Form der Konzentration, aber auch der Kunst, wie die japanische Tradition sie lehrt, entsprechen offenbar auch dem Wesen und der Intention der Künstlerin.
In ihren neuen Arbeiten forscht sie dem MA nach. MA ist ein japanischer Begriff, der nur sehr unzulänglich als Pause übersetzt werden kann. Für MA gibt es in unserer Sprache keine volle Entsprechung. Vielleicht auch, weil wir dieses MA nicht leben. Wie kann man es erklären? Als eine Pause, als ein Nichts, eine Leere, die aber in sich die Fülle der Möglichkeiten enthält. Dieses Innehalten, Leerwerdenlassen und Wahrnehmen von dem, was im Raum dazwischen ist, ist die Bedingung für Neues. Der Raum dazwischen ist der eigentliche Raum der Schöpfung. Er ist der Raum, der aus der Kommunikation entsteht, aus dem Aufnehmen des Gegenwärtigen. Wer genau schaut, nimmt diese Räume dazwischen auf, bewegt sich in ihnen, lässt sich auf sie ein, ohne sie besitzen oder festhalten zu wollen. Im Sein einfach sein, denn
alles ist immer schon da.
Auch die Landschaft ist immer schon da, die Natur in ihrer Vielschichtigkeit. Als Ergänzung zu den gemalten Werken schafft Marie Ruprecht derzeit auch plastische Wahrnehmungen der Natur. Sie gießt verlassene Vogelnester oder leere Bienenwaben mit Porzellan aus. Durch diesen Negativraum kann man das Innenleben einer uns sonst verschlossenen oder nur sehr flüchtig betrachteten Welt wahrnehmen. Sie ist nicht für uns bestimmt, und dennoch können wir uns durch diese natürlichen Habitate anderen Lebewesen nahe fühlen, uns in ihnen bewegen, zumindest mit den Augen. Wir sehen mit welcher architektonischen Akribie diese Tiere am Werk sind, wie kunstvoll sie sich einen Rückzugsraum schaffen. Um Rückzugsräume geht es der Künstlerin auch mit ihren neuen Arbeiten. Wie kann man Menschen zur Ruhe führen, welche Wege gibt, welche Möglichkeiten, Ruhe zu finden. Ihre Bilder sind ein Versuch, im Raum dazwischen Ruheräume zu schaffen, den Horizont zu weiten, „Blickfenster in einen Ruheraum“ zu sein. Diese Blickfenster sind, wie Kenner des Werkes von Marie Ruprecht auffallen wird, für diese Ausstellung überraschend groß geworden. Heinz Angerlehner hat sie dazu animiert und der Ausstellungsraum diese Intention noch verstärkt. In einem extra angemieteten Atelier der Künstlerin sind diese Arbeiten in einem intensiven Prozess innerhalb weniger Monate entstanden. Man kann sie auch als Tagebuch der Künstlerin lesen, als Aufbruch aus vertrauten Formaten, als Weiterentwicklung ihrer Formensprache, die zuletzt ganz dem Kreis zugewandt war.Nicht zuletzt ist Marie Ruprecht auch eine ästhetisch sehr behutsame und ausgewogene Künstlerin. Sie tariert fein aus, was es braucht, um den Raum dazwischen zu zeigen, ohne ihn bloßzustellen. Sie lässt uns sein, mit uns, mit ihren Bildern, mit dem, was ist, mit dem, was dazwischen ist, dem, was nicht ist, und dem, was möglich wird.
EVERYTHING IS ALWAYS THERE ALREADY
DR. CHRISTINE HAIDEN - CHAIRWOMAN OF THE UPPER AUSTRIAN STATE CULTURE COUNCIL
Blue, gray, anthracite, here and there a touch of pink or green, Marie Ruprecht grants our eyes a respite. They don't have to wander restlessly across a surface; they can engage. There is no message here, except perhaps to become calm, to stay, to linger, to trace the effect. It is pure nature that speaks to us in the artist's new works. The only human perceptible in these images is the artist herself, and even she only indirectly, as the creator of what has already been created, as an impressionistic expressionist of an interior space of the exterior space.
Marie Ruprecht lives and works in Aschach an der Donau. Her daily walks take her along the towpath. Rows of houses and riverside landscapes, the rising hills of the Mühlviertel, the green of the forests and meadows, the cloud formations in their incredibly diverse shades of white, blue, gray, black, and finally the water, the Danube, which like a flowing sky below absorbs the above. Our eyes see it, our senses, our mind take it in. As if through a passe-partout, these constantly changing moods in the seemingly always same landscape impress themselves upon the artist. At home in her studio, she paints what has been conveyed to her. A special canvas, which opened up new painterly possibilities for her at an art symposium last year, finds its purpose here. It is the materiality with which the immateriality of experience connects and creates new expression. Very spontaneously and without sketches, Marie Ruprecht applies the colors to this canvas in several, very wet layers. The intermingling of the colors, which in this way build a supporting structure, corresponds to the process of artistic appropriation. Thus, minimalism and abundance are formed together, condition each other, and do not exclude each other.
As a doctoral student, Marie Ruprecht chose the topic "Strategies of Non-Thinking in Art Production." For half a year, she was able to work on this in a remote country house near Tokyo. During visits to Zen monasteries and studying Zen philosophy, strong imprints were created for her later path. The art of omission as the highest form of concentration, but also of art, as Japanese tradition teaches it, apparently also corresponds to the essence and intention of the artist.
In her new works, Marie Ruprecht explores MA. MA is a Japanese term that can only be inadequately translated as pause. There is no full equivalent for MA in our language. Perhaps also because we do not live this MA. How can it be explained? As a pause, as a nothing, an emptiness, which however contains the fullness of possibilities within itself. This pausing, letting go of emptiness, and perceiving what is in the space between is the condition for something new. The space in between is the actual space of creation. It is the space that arises from communication, from absorbing the present. Whoever looks closely perceives these spaces in between, moves in them, engages with them, without wanting to possess or hold on to them. Simply being in being, because everything is always already there.
The landscape is also always already there, nature in its complexity. As a complement to the painted works, Marie Ruprecht is currently also creating plastic perceptions of nature. She casts abandoned bird nests or empty honeycombs using porcelain. Through this negative space, one can perceive the inner life of a world that is otherwise closed to us or only very fleetingly observed. It is not intended for us, and yet through these natural habitats we can feel close to other living beings, move in them, at least with our eyes. We see with what architectural precision these animals are at work, how artfully they create a retreat space for themselves. The artist is also concerned with retreat spaces in her new works. How can people be brought to rest, what ways are there, what possibilities are there to find rest? Her pictures are an attempt to create quiet spaces in the space in between, to broaden the horizon, to be "windows into a quiet room." These windows, as connoisseurs of Marie Ruprecht's work will notice, have become surprisingly large for this exhibition. Heinz Angerlehner encouraged her to do so, and the exhibition space further reinforced this intention. These works were created in an intensive process within a few months in an extra rented studio of the artist. They can also be read as the artist's diary, as a departure from familiar formats, as a further development of her formal language, which was most recently entirely devoted to the circle.
Last but not least, Marie Ruprecht is also a very aesthetically cautious and balanced artist. She finely balances what it takes to show the space in between without exposing it. She lets us be, with ourselves, with her pictures, with what is, with what is in between, what is not, and what becomes possible.
Blue, gray, anthracite, here and there a touch of pink or green, Marie Ruprecht grants our eyes a respite. They don't have to wander restlessly across a surface; they can engage. There is no message here, except perhaps to become calm, to stay, to linger, to trace the effect. It is pure nature that speaks to us in the artist's new works. The only human perceptible in these images is the artist herself, and even she only indirectly, as the creator of what has already been created, as an impressionistic expressionist of an interior space of the exterior space.
Marie Ruprecht lives and works in Aschach an der Donau. Her daily walks take her along the towpath. Rows of houses and riverside landscapes, the rising hills of the Mühlviertel, the green of the forests and meadows, the cloud formations in their incredibly diverse shades of white, blue, gray, black, and finally the water, the Danube, which like a flowing sky below absorbs the above. Our eyes see it, our senses, our mind take it in. As if through a passe-partout, these constantly changing moods in the seemingly always same landscape impress themselves upon the artist. At home in her studio, she paints what has been conveyed to her. A special canvas, which opened up new painterly possibilities for her at an art symposium last year, finds its purpose here. It is the materiality with which the immateriality of experience connects and creates new expression. Very spontaneously and without sketches, Marie Ruprecht applies the colors to this canvas in several, very wet layers. The intermingling of the colors, which in this way build a supporting structure, corresponds to the process of artistic appropriation. Thus, minimalism and abundance are formed together, condition each other, and do not exclude each other.
As a doctoral student, Marie Ruprecht chose the topic "Strategies of Non-Thinking in Art Production." For half a year, she was able to work on this in a remote country house near Tokyo. During visits to Zen monasteries and studying Zen philosophy, strong imprints were created for her later path. The art of omission as the highest form of concentration, but also of art, as Japanese tradition teaches it, apparently also corresponds to the essence and intention of the artist.
In her new works, Marie Ruprecht explores MA. MA is a Japanese term that can only be inadequately translated as pause. There is no full equivalent for MA in our language. Perhaps also because we do not live this MA. How can it be explained? As a pause, as a nothing, an emptiness, which however contains the fullness of possibilities within itself. This pausing, letting go of emptiness, and perceiving what is in the space between is the condition for something new. The space in between is the actual space of creation. It is the space that arises from communication, from absorbing the present. Whoever looks closely perceives these spaces in between, moves in them, engages with them, without wanting to possess or hold on to them. Simply being in being, because everything is always already there.
The landscape is also always already there, nature in its complexity. As a complement to the painted works, Marie Ruprecht is currently also creating plastic perceptions of nature. She casts abandoned bird nests or empty honeycombs using porcelain. Through this negative space, one can perceive the inner life of a world that is otherwise closed to us or only very fleetingly observed. It is not intended for us, and yet through these natural habitats we can feel close to other living beings, move in them, at least with our eyes. We see with what architectural precision these animals are at work, how artfully they create a retreat space for themselves. The artist is also concerned with retreat spaces in her new works. How can people be brought to rest, what ways are there, what possibilities are there to find rest? Her pictures are an attempt to create quiet spaces in the space in between, to broaden the horizon, to be "windows into a quiet room." These windows, as connoisseurs of Marie Ruprecht's work will notice, have become surprisingly large for this exhibition. Heinz Angerlehner encouraged her to do so, and the exhibition space further reinforced this intention. These works were created in an intensive process within a few months in an extra rented studio of the artist. They can also be read as the artist's diary, as a departure from familiar formats, as a further development of her formal language, which was most recently entirely devoted to the circle.
Last but not least, Marie Ruprecht is also a very aesthetically cautious and balanced artist. She finely balances what it takes to show the space in between without exposing it. She lets us be, with ourselves, with her pictures, with what is, with what is in between, what is not, and what becomes possible.

Dr. Christine Haiden // DER RAUM DAZWISCHEN // MUSEUM ANGERLEHNER // 2024 // Foto: Pia Sternbauer
Ruhe, Stille und eine beschauliche Abkehr vom Lärm der Welt
DR. BRIGITTE REUTNER-DONEUS - LENTOS KUNSTMUSEUM LINZ
Marie Ruprecht findet in der Natur Synonyme zu Themen, die sie künstlerisch bewegen. Ein kleiner gemaserter Talgsteinkubus inspirierte sie zu der hier ausgestellten Serie lasierter, monochromer Gemälde. Was wäre, wenn Erde und Himmel, Klein und Groß miteinander in Einklang stünden? Die Vorstellung der Übereinstimmung von Mikrokosmos und Makrokosmos leitet sich aus den mystischen und esoterischen Lehren ab, wonach es auch Entsprechungen zwischen den menschlichen Gliedmaßen und dem Universum gibt. Kleines widerspiegelt sich in Großem und umgekehrt. So können mit unter sogar ganze Landschaften in einem einzelnen Steinblock zu finden sein. Unsere Beziehung zum Stein ist so alt, dass wir den Beginn der Menschheitsgeschichte Steinzeit genannt haben. Die frühesten Werkzeuge und Waffen waren oft aus perfekt geformtem Stein; diese Objekte waren Symbole der Macht, die den frühen Menschen Stärke und Effektivität verliehen. Über alle Zeitalter hinweg gehörte der Stein zum menschlichen Leben. Marie Ruprecht befragt ihren Stein in ästhetischer Hinsicht. Seine monochrom gehaltenen Strukturierungen setzt sie in entsprechende Farbwerte um.
Weiss – Grau – Beige – Schwarz: in dieser bewusst gewählten farblichen Zurückhaltung, mit dieser gesteuerten Monochromie rührt sie an existentiellen Themen. Tod und Leben sind – wenn man so will – Geschwister. Das Eine bedingt das Andere, denn alles unterliegt einem Zyklus. Ruhe, Stille und eine beschauliche Abkehr vom Lärm der Welt vermeint man aus ihren Gemälden herauslesen zu können. Sie erlauben uns, uns gedanklich den Grenzlinien unserer Existenz zu nähern und vielleicht sogar unsere Abwesenheit auf diesem Planeten zu imaginieren. Im gleichen Atemzug künden sie aber auch von zyklischen Prozessen, wonach die Sonne jeden Morgen wieder aufgehen wird, wenn sie am Abend für die Nacht Platz gemacht hat und die Meereswellen sich bei Ebbe zurückziehen, damit sie als Flut wieder an Land brechen können. Dass Gegensätze sich anziehen, um miteinander Vollkommenheit anzustreben. Alles unterliegt einem Kreislauf, in allem vollzieht sich ein bestimmter Rhythmus. Sein und Nichts bedingen sich gegenseitig.
Die Prozesse in der Natur geschehen de facto ohne menschliches Zutun. Tatsächlich sind wir die letzten Menschen im Sinne Nietzsches: der Übermensch wird derjenige sein, der die Abwesenheit Gottes und die Abwesenheit des Menschen im gleichen Akt der Überschreitung überwunden haben wird. Der bereits zitierte Philosoph Thomas Nagel stellt in Zusammenhang mit unserem früher oder später eintretenden irdischen Dahinscheiden die ungewöhnliche Frage: „Wie kann die Aussicht unserer eigenen Nichtexistenz auf eine positive Weise alarmierend sein? Wenn wir mit dem Tod wirklich zu existieren aufhören, wie kann es dann etwas geben, vor dem wir Angst haben? Denkt man logisch darüber nach, so sieht es so aus, als sollten wir vor dem Tod nur Angst haben, sofern wir ihn überleben und vielleicht irgendeiner schrecklichen Verwandlung unterworfen sein werden. Doch dies hindert viele Leute nicht daran, das Ausgelöschtsein für etwas vom Schlimmsten zu halten, das ihnen zustoßen kann.“ Das in Porzellan manifestierte Vogelnest von Marie Ruprecht oder das abgeformte Wespennest aus ihrer Serie Hören, was der Wind sagt haben ihre Gestaltungen der Natur entliehen. Aus ihnen ist alles Leben gewichen. Sie repräsentieren etwas, das einem Relikt gleicht. Ähnlich einem leeren Schneckenhaus, das wir zufälligerweise auf einem Weg finden. Schön in der Form, aber nunmehr tote Materie. Ruprecht befasst sich in ihrer Kunst mit einem ästhetischen Konzept, das die Abwesenheit von Lebendigem thematisiert. Ihre in Porzellan verewigten Tierhabitate sind kleine Wunder für sich, kostbare Raritäten, die aus der Schatzkammer Rudolf II. in Prag entstammen könnten. Preziosen wie leere Hülsen, deren funktionaler Wert in der Vergangenheit liegt, deren zwecklose Schönheit die Gegenwart überstrahlt. Ruprecht bewegt sich in ihrer Kunst auf mehreren zeitlichen Ebenen. Ihre Werke sind das Resultat einer Analyse und zeigen sich als Visualisierung von Spuren vergangenen Lebens. Diese transponiert sie in ihrer ästhetischen Aussage in eine prospektive Ära, in der wir nicht mehr sein werden.
Marie Ruprecht findet in der Natur Synonyme zu Themen, die sie künstlerisch bewegen. Ein kleiner gemaserter Talgsteinkubus inspirierte sie zu der hier ausgestellten Serie lasierter, monochromer Gemälde. Was wäre, wenn Erde und Himmel, Klein und Groß miteinander in Einklang stünden? Die Vorstellung der Übereinstimmung von Mikrokosmos und Makrokosmos leitet sich aus den mystischen und esoterischen Lehren ab, wonach es auch Entsprechungen zwischen den menschlichen Gliedmaßen und dem Universum gibt. Kleines widerspiegelt sich in Großem und umgekehrt. So können mit unter sogar ganze Landschaften in einem einzelnen Steinblock zu finden sein. Unsere Beziehung zum Stein ist so alt, dass wir den Beginn der Menschheitsgeschichte Steinzeit genannt haben. Die frühesten Werkzeuge und Waffen waren oft aus perfekt geformtem Stein; diese Objekte waren Symbole der Macht, die den frühen Menschen Stärke und Effektivität verliehen. Über alle Zeitalter hinweg gehörte der Stein zum menschlichen Leben. Marie Ruprecht befragt ihren Stein in ästhetischer Hinsicht. Seine monochrom gehaltenen Strukturierungen setzt sie in entsprechende Farbwerte um.
Weiss – Grau – Beige – Schwarz: in dieser bewusst gewählten farblichen Zurückhaltung, mit dieser gesteuerten Monochromie rührt sie an existentiellen Themen. Tod und Leben sind – wenn man so will – Geschwister. Das Eine bedingt das Andere, denn alles unterliegt einem Zyklus. Ruhe, Stille und eine beschauliche Abkehr vom Lärm der Welt vermeint man aus ihren Gemälden herauslesen zu können. Sie erlauben uns, uns gedanklich den Grenzlinien unserer Existenz zu nähern und vielleicht sogar unsere Abwesenheit auf diesem Planeten zu imaginieren. Im gleichen Atemzug künden sie aber auch von zyklischen Prozessen, wonach die Sonne jeden Morgen wieder aufgehen wird, wenn sie am Abend für die Nacht Platz gemacht hat und die Meereswellen sich bei Ebbe zurückziehen, damit sie als Flut wieder an Land brechen können. Dass Gegensätze sich anziehen, um miteinander Vollkommenheit anzustreben. Alles unterliegt einem Kreislauf, in allem vollzieht sich ein bestimmter Rhythmus. Sein und Nichts bedingen sich gegenseitig.
Die Prozesse in der Natur geschehen de facto ohne menschliches Zutun. Tatsächlich sind wir die letzten Menschen im Sinne Nietzsches: der Übermensch wird derjenige sein, der die Abwesenheit Gottes und die Abwesenheit des Menschen im gleichen Akt der Überschreitung überwunden haben wird. Der bereits zitierte Philosoph Thomas Nagel stellt in Zusammenhang mit unserem früher oder später eintretenden irdischen Dahinscheiden die ungewöhnliche Frage: „Wie kann die Aussicht unserer eigenen Nichtexistenz auf eine positive Weise alarmierend sein? Wenn wir mit dem Tod wirklich zu existieren aufhören, wie kann es dann etwas geben, vor dem wir Angst haben? Denkt man logisch darüber nach, so sieht es so aus, als sollten wir vor dem Tod nur Angst haben, sofern wir ihn überleben und vielleicht irgendeiner schrecklichen Verwandlung unterworfen sein werden. Doch dies hindert viele Leute nicht daran, das Ausgelöschtsein für etwas vom Schlimmsten zu halten, das ihnen zustoßen kann.“ Das in Porzellan manifestierte Vogelnest von Marie Ruprecht oder das abgeformte Wespennest aus ihrer Serie Hören, was der Wind sagt haben ihre Gestaltungen der Natur entliehen. Aus ihnen ist alles Leben gewichen. Sie repräsentieren etwas, das einem Relikt gleicht. Ähnlich einem leeren Schneckenhaus, das wir zufälligerweise auf einem Weg finden. Schön in der Form, aber nunmehr tote Materie. Ruprecht befasst sich in ihrer Kunst mit einem ästhetischen Konzept, das die Abwesenheit von Lebendigem thematisiert. Ihre in Porzellan verewigten Tierhabitate sind kleine Wunder für sich, kostbare Raritäten, die aus der Schatzkammer Rudolf II. in Prag entstammen könnten. Preziosen wie leere Hülsen, deren funktionaler Wert in der Vergangenheit liegt, deren zwecklose Schönheit die Gegenwart überstrahlt. Ruprecht bewegt sich in ihrer Kunst auf mehreren zeitlichen Ebenen. Ihre Werke sind das Resultat einer Analyse und zeigen sich als Visualisierung von Spuren vergangenen Lebens. Diese transponiert sie in ihrer ästhetischen Aussage in eine prospektive Ära, in der wir nicht mehr sein werden.
Quietude, stillness, and a contemplative detachment
from the world's clamor
BRIGITTE REUTNER-DONEUS, PHD - LENTOS ART MUSSEUM LINZ
In nature, Marie Ruprecht finds synonyms for themes that move her artistically. A small, grained soapstone cube inspired her to the series of glazed, monochrome paintings exhibited here. What if earth and sky, small and large, were in harmony with each other? The notion of the correspondence between microcosm and macrocosm is derived from mystical and esoteric teachings, according to which there are correspondences between human limbs and the universe. The small is reflected in the large and vice versa. Thus, entire landscapes can sometimes be found in a single block of stone. Our relationship with stone is so old that we have called the beginning of human history the Stone Age. The earliest tools and weapons were often made of perfectly shaped stone; these objects were symbols of power that gave strength and effectiveness to early humans. Throughout the ages, stone has been part of human life. Marie Ruprecht questions her stone from an aesthetic point of view. She translates its monochrome structures into corresponding color values.
White – Gray – Beige – Black: in this deliberately chosen color restraint, with this controlled monochrome, she touches on existential themes. Death and life are – if you will – siblings. One conditions the other, because everything is subject to a cycle. Quietude, stillness, and a contemplative detachment from the world's noise are what one might read from her paintings. They allow us to mentally approach the boundaries of our existence and perhaps even imagine our absence on this planet. At the same time, however, they announce cyclical processes, according to which the sun will rise again every morning, when it has made way for the night in the evening, and the ocean waves will recede at low tide so that they can break on the shore again as a flood. That opposites attract in order to strive for perfection together. Everything is subject to a cycle, in everything a certain rhythm is performed. Being and nothingness condition each other. The processes in nature happen de facto without human intervention. In fact, we are the last people in Nietzsche's sense: the overman will be the one who will have overcome the absence of God and the absence of man in the same act of transgression.
The philosopher Thomas Nagel, already quoted, asks the unusual question in connection with our earthly passing, which will occur sooner or later: "How can the prospect of our own non-existence be alarming in a positive way? If we really cease to exist with death, how can there be anything we are afraid of? If one thinks about it logically, it seems as if we should only be afraid of death if we survive it and perhaps be subjected to some terrible transformation. But this does not prevent many people from considering extinction to be one of the worst things that can happen to them." The bird's nest manifested in porcelain by Marie Ruprecht or the molded wasp's nest from her series Hearing What the Wind Says have borrowed their forms from nature. All life has left them. They represent something that resembles a relic. Similar to an empty snail shell that we happen to find on a path. Beautiful in form, but now dead matter. In her art, Ruprecht deals with an aesthetic concept that thematizes the absence of living things. Her animal habitats immortalized in porcelain are small wonders in themselves, precious rarities that could have come from the treasury of Rudolf II in Prague. Precious items like empty shells, whose functional value lies in the past, whose purposeless beauty outshines the present. Ruprecht moves in her art on several temporal levels. Her works are the result of an analysis and appear as a visualization of traces of past life. She transposes them in their aesthetic statement into a prospective era in which we will no longer be.
In nature, Marie Ruprecht finds synonyms for themes that move her artistically. A small, grained soapstone cube inspired her to the series of glazed, monochrome paintings exhibited here. What if earth and sky, small and large, were in harmony with each other? The notion of the correspondence between microcosm and macrocosm is derived from mystical and esoteric teachings, according to which there are correspondences between human limbs and the universe. The small is reflected in the large and vice versa. Thus, entire landscapes can sometimes be found in a single block of stone. Our relationship with stone is so old that we have called the beginning of human history the Stone Age. The earliest tools and weapons were often made of perfectly shaped stone; these objects were symbols of power that gave strength and effectiveness to early humans. Throughout the ages, stone has been part of human life. Marie Ruprecht questions her stone from an aesthetic point of view. She translates its monochrome structures into corresponding color values.
White – Gray – Beige – Black: in this deliberately chosen color restraint, with this controlled monochrome, she touches on existential themes. Death and life are – if you will – siblings. One conditions the other, because everything is subject to a cycle. Quietude, stillness, and a contemplative detachment from the world's noise are what one might read from her paintings. They allow us to mentally approach the boundaries of our existence and perhaps even imagine our absence on this planet. At the same time, however, they announce cyclical processes, according to which the sun will rise again every morning, when it has made way for the night in the evening, and the ocean waves will recede at low tide so that they can break on the shore again as a flood. That opposites attract in order to strive for perfection together. Everything is subject to a cycle, in everything a certain rhythm is performed. Being and nothingness condition each other. The processes in nature happen de facto without human intervention. In fact, we are the last people in Nietzsche's sense: the overman will be the one who will have overcome the absence of God and the absence of man in the same act of transgression.
The philosopher Thomas Nagel, already quoted, asks the unusual question in connection with our earthly passing, which will occur sooner or later: "How can the prospect of our own non-existence be alarming in a positive way? If we really cease to exist with death, how can there be anything we are afraid of? If one thinks about it logically, it seems as if we should only be afraid of death if we survive it and perhaps be subjected to some terrible transformation. But this does not prevent many people from considering extinction to be one of the worst things that can happen to them." The bird's nest manifested in porcelain by Marie Ruprecht or the molded wasp's nest from her series Hearing What the Wind Says have borrowed their forms from nature. All life has left them. They represent something that resembles a relic. Similar to an empty snail shell that we happen to find on a path. Beautiful in form, but now dead matter. In her art, Ruprecht deals with an aesthetic concept that thematizes the absence of living things. Her animal habitats immortalized in porcelain are small wonders in themselves, precious rarities that could have come from the treasury of Rudolf II in Prague. Precious items like empty shells, whose functional value lies in the past, whose purposeless beauty outshines the present. Ruprecht moves in her art on several temporal levels. Her works are the result of an analysis and appear as a visualization of traces of past life. She transposes them in their aesthetic statement into a prospective era in which we will no longer be.
Mit sehr wenig sehr viel
DR. LISA ORTNER-KREIL - KUNSTHISTORIKERIN UND KURATORIN - KUNSTFORUM WIEN
Marie Ruprechts Medien sind Malerei, Kleinskulptur, Fotografie und Film. Sie lädt sich, wie sie mir im Vorfeld erzählt hat, gerne den Zufall ein bei ihren Bildfindungen. Die Weltall-Aufnahmen, die das James Webb Teleskop seit kurzem liefert, sind eine große Inspiration. Es sind galaktische Landschaften, die sich hier eröffnen, schwarze Löcher, die aufreißen. Ein besonderes Interesse an der Materialität und monochrome Farbgebung sind charakteristisch für die Künstlerin: Mit schwarzer Farbe und viel Wasser bringt Marie Ruprecht viele verschiedene Schichten auf grobes belgisches Leinen auf und arbeitet sich so an die Dunkelheit heran. Die Künstlerin ist stark beeinflusst von fernöstlicher Zen-Malerei und dem Freiwerden von der Bezogenheit auf das eigene Ich. In der Ausstellung präsentiert sie auch eine Arbeit aus geschnittenen Baumscheiben, die sie nach einer japanischen Technik verkohlt bzw. karbonisiert hat, aus der ausgebürsteten Kohle entstanden wiederum kleine Malereien: „Mit sehr wenig sehr viel“ ist die Prämisse von Marie Ruprecht.
Marie Ruprechts Medien sind Malerei, Kleinskulptur, Fotografie und Film. Sie lädt sich, wie sie mir im Vorfeld erzählt hat, gerne den Zufall ein bei ihren Bildfindungen. Die Weltall-Aufnahmen, die das James Webb Teleskop seit kurzem liefert, sind eine große Inspiration. Es sind galaktische Landschaften, die sich hier eröffnen, schwarze Löcher, die aufreißen. Ein besonderes Interesse an der Materialität und monochrome Farbgebung sind charakteristisch für die Künstlerin: Mit schwarzer Farbe und viel Wasser bringt Marie Ruprecht viele verschiedene Schichten auf grobes belgisches Leinen auf und arbeitet sich so an die Dunkelheit heran. Die Künstlerin ist stark beeinflusst von fernöstlicher Zen-Malerei und dem Freiwerden von der Bezogenheit auf das eigene Ich. In der Ausstellung präsentiert sie auch eine Arbeit aus geschnittenen Baumscheiben, die sie nach einer japanischen Technik verkohlt bzw. karbonisiert hat, aus der ausgebürsteten Kohle entstanden wiederum kleine Malereien: „Mit sehr wenig sehr viel“ ist die Prämisse von Marie Ruprecht.
From Very Little, Very Much
DR. LISA ORTNER-KREIL – ART HISTORIAN AND CURATOR – KUNSTFORUM WIEN
Marie Ruprecht's media include painting, small-scale sculpture, photography, and film. As she told me in advance, she enjoys inviting chance into her image-finding process. The space images that the James Webb Telescope has recently delivered are a great inspiration. These are galactic landscapes that open up here, black holes that tear open. A particular interest in materiality and monochrome coloring are characteristic of the artist: with black paint and a lot of water, Marie Ruprecht applies many different layers to coarse Belgian linen, thus working her way to darkness. The artist is strongly influenced by Far Eastern Zen painting and the liberation from being related to one's own self. In the exhibition, she also presents a work made of cut tree slices, which she charred or carbonized using a Japanese technique; small paintings, in turn, emerged from the brushed-out charcoal: "From very little, very much" is Marie Ruprecht's premise.
Marie Ruprecht's media include painting, small-scale sculpture, photography, and film. As she told me in advance, she enjoys inviting chance into her image-finding process. The space images that the James Webb Telescope has recently delivered are a great inspiration. These are galactic landscapes that open up here, black holes that tear open. A particular interest in materiality and monochrome coloring are characteristic of the artist: with black paint and a lot of water, Marie Ruprecht applies many different layers to coarse Belgian linen, thus working her way to darkness. The artist is strongly influenced by Far Eastern Zen painting and the liberation from being related to one's own self. In the exhibition, she also presents a work made of cut tree slices, which she charred or carbonized using a Japanese technique; small paintings, in turn, emerged from the brushed-out charcoal: "From very little, very much" is Marie Ruprecht's premise.

Werkbesprechung Lisa Ortner Kreil & Marie Ruprecht // TIME TO IMAGINE // Dokumentationszentrum für moderne Kunst Niederösterreich // 2023 // Foto: Antonia Riederer
Tag und Nacht
DR. PETER ASSMANN - KUNSTHISTORIKER - MUSEUMSLEITER
Es ist der Wechsel in der Beständigkeit, die Beständigkeit des Wechsels, der konsequent gesetzte Rhythmus, der zur Veränderung führt: die Spuren des Lebens als formende Beschreibungen der andauernden Bewegung der Beständigkeit. Diese manifestieren sich in der Haut der Lebewesen, den Rinden der Bäume, den Geländefurchen. Sie zeigen sich als Verwerfungen, Eingrabungen, Schichtungen, als teilweise geöffnete Bedeckungen und Aufstülpungen, die - unter anderem - dem Licht erst ermöglichen, Schattenzonen entstehen zu lassen und somit auch Unterscheidungen. Es ist die Beständigkeit des Wechsels von Tag und Nacht - so eine der zentralen thematischen Überschriften zur begrifflichen Annäherung an das künstlerische Werk von Marie Ruprecht.
In sensibler Verbindung von Materialauswahl und gestaltender Intervention entstehen Objekte als Zeichensetzung der Spurensuche, als Wegmarkierung zur weiteren Findung. Als behutsamer Impuls zur Kontemplation feiner Energieverschiebungen können diese Kunstwerke ebenso den Anspruch erheben, wie auch als Weg bestimmende Interpretation grundsätzlicher kultureller Haltungen des Menschen. Bei aller Fragilität und Zartheit präsentieren sie sich dennoch sehr selbstbewusst und durchaus bestimmend - dies vor allem aufgrund ihrer formalen Präzision und einer grundgelegten Sauberkeit der künstlerischen Aussage: eine Haltung, die fernöstliche Kulturschulungen deutlich erkennbar macht .
In diesem Sinne können die Interpretationsbögen zu diesen Werken durchaus größer gezogen werden: "Wenn du die Absicht hast, dich zu erneuern, tu es jeden Tag" (Konfuzius) - und wohl auch jede Nacht, wäre hier wohl zu ergänzen. Das künstlerische Denken und Handeln als konsequente Synthese wie es Marie Ruprecht vorstellt, ist punktgenaue Konzentration und zugleich stets umfassender erfahrbarer Zusammenhang des prinzipiell Lebendigen. Diese Werke sind Landschaften als summarischer Zusammenhang, der für etwas Größeres steht als für die Summe der Einzelspur, es sind Existenzen zwischen Erfahrung und Bestimmung, die den Menschen beständig im Wechsel von Tag und Nacht als Lebenspartner herausfordern und doch von ihm selbst stets mitgestaltet werden: als Umwelt und Innenwelt zugleich. Die Wegmöglichkeit einer künstlerischen Berührung des Lebens wird in diesen Werkstücken genau so deutlich wie die große Herausforderung, Kunst in diesen Lebenswegrhythmus möglichst tief und direkt einzusetzen.
Es ist der Wechsel in der Beständigkeit, die Beständigkeit des Wechsels, der konsequent gesetzte Rhythmus, der zur Veränderung führt: die Spuren des Lebens als formende Beschreibungen der andauernden Bewegung der Beständigkeit. Diese manifestieren sich in der Haut der Lebewesen, den Rinden der Bäume, den Geländefurchen. Sie zeigen sich als Verwerfungen, Eingrabungen, Schichtungen, als teilweise geöffnete Bedeckungen und Aufstülpungen, die - unter anderem - dem Licht erst ermöglichen, Schattenzonen entstehen zu lassen und somit auch Unterscheidungen. Es ist die Beständigkeit des Wechsels von Tag und Nacht - so eine der zentralen thematischen Überschriften zur begrifflichen Annäherung an das künstlerische Werk von Marie Ruprecht.
In sensibler Verbindung von Materialauswahl und gestaltender Intervention entstehen Objekte als Zeichensetzung der Spurensuche, als Wegmarkierung zur weiteren Findung. Als behutsamer Impuls zur Kontemplation feiner Energieverschiebungen können diese Kunstwerke ebenso den Anspruch erheben, wie auch als Weg bestimmende Interpretation grundsätzlicher kultureller Haltungen des Menschen. Bei aller Fragilität und Zartheit präsentieren sie sich dennoch sehr selbstbewusst und durchaus bestimmend - dies vor allem aufgrund ihrer formalen Präzision und einer grundgelegten Sauberkeit der künstlerischen Aussage: eine Haltung, die fernöstliche Kulturschulungen deutlich erkennbar macht .
In diesem Sinne können die Interpretationsbögen zu diesen Werken durchaus größer gezogen werden: "Wenn du die Absicht hast, dich zu erneuern, tu es jeden Tag" (Konfuzius) - und wohl auch jede Nacht, wäre hier wohl zu ergänzen. Das künstlerische Denken und Handeln als konsequente Synthese wie es Marie Ruprecht vorstellt, ist punktgenaue Konzentration und zugleich stets umfassender erfahrbarer Zusammenhang des prinzipiell Lebendigen. Diese Werke sind Landschaften als summarischer Zusammenhang, der für etwas Größeres steht als für die Summe der Einzelspur, es sind Existenzen zwischen Erfahrung und Bestimmung, die den Menschen beständig im Wechsel von Tag und Nacht als Lebenspartner herausfordern und doch von ihm selbst stets mitgestaltet werden: als Umwelt und Innenwelt zugleich. Die Wegmöglichkeit einer künstlerischen Berührung des Lebens wird in diesen Werkstücken genau so deutlich wie die große Herausforderung, Kunst in diesen Lebenswegrhythmus möglichst tief und direkt einzusetzen.
DAY AND NIGHT
DR. PETER ASSMANN – ART HISTORIAN – MUSEUM DIRECTOR
It is the change within constancy, the constancy of change, the consistently established rhythm that leads to transformation: the traces of life as formative descriptions of the ongoing movement of constancy. These manifest themselves in the skin of living beings, the bark of trees, the furrows of the terrain. They appear as faults, depressions, stratifications, as partially opened coverings and upwellings, which – among other things – first allow light to create shadow zones and thus also distinctions. It is the constancy of the change from day to night – one of the central thematic headings for the conceptual approach to the artistic work of Marie Ruprecht.
In a sensitive connection of material selection and formative intervention, objects arise as signs of the search for traces, as markers on the path to further discovery. As a gentle impulse for the contemplation of subtle energy shifts, these works of art can equally assert themselves as a path-defining interpretation of fundamental cultural attitudes of man. For all their fragility and delicacy, they nevertheless present themselves very self-confidently and quite decisively – this above all due to their formal precision and a fundamentally established clarity of artistic expression: an attitude that makes Far Eastern cultural training clearly recognizable.
In this sense, the interpretive arcs for these works can certainly be drawn larger: "If you have the intention to renew yourself, do it every day" (Confucius) – and probably every night as well, would probably have to be added here. Artistic thinking and acting as a consistent synthesis, as Marie Ruprecht presents it, is pinpoint concentration and at the same time a constantly more comprehensively experienceable context of the fundamentally living. These works are landscapes as a summary context, which stands for something greater than the sum of the individual trace, they are existences between experience and determination, which constantly challenge man as a life partner in the change of day and night and yet are always co-shaped by him himself: as environment and inner world at the same time. The possibility of an artistic touch of life becomes just as clear in these pieces as the great challenge to use art as deeply and directly as possible in this rhythm of life.
It is the change within constancy, the constancy of change, the consistently established rhythm that leads to transformation: the traces of life as formative descriptions of the ongoing movement of constancy. These manifest themselves in the skin of living beings, the bark of trees, the furrows of the terrain. They appear as faults, depressions, stratifications, as partially opened coverings and upwellings, which – among other things – first allow light to create shadow zones and thus also distinctions. It is the constancy of the change from day to night – one of the central thematic headings for the conceptual approach to the artistic work of Marie Ruprecht.
In a sensitive connection of material selection and formative intervention, objects arise as signs of the search for traces, as markers on the path to further discovery. As a gentle impulse for the contemplation of subtle energy shifts, these works of art can equally assert themselves as a path-defining interpretation of fundamental cultural attitudes of man. For all their fragility and delicacy, they nevertheless present themselves very self-confidently and quite decisively – this above all due to their formal precision and a fundamentally established clarity of artistic expression: an attitude that makes Far Eastern cultural training clearly recognizable.
In this sense, the interpretive arcs for these works can certainly be drawn larger: "If you have the intention to renew yourself, do it every day" (Confucius) – and probably every night as well, would probably have to be added here. Artistic thinking and acting as a consistent synthesis, as Marie Ruprecht presents it, is pinpoint concentration and at the same time a constantly more comprehensively experienceable context of the fundamentally living. These works are landscapes as a summary context, which stands for something greater than the sum of the individual trace, they are existences between experience and determination, which constantly challenge man as a life partner in the change of day and night and yet are always co-shaped by him himself: as environment and inner world at the same time. The possibility of an artistic touch of life becomes just as clear in these pieces as the great challenge to use art as deeply and directly as possible in this rhythm of life.
Spurensicherung
MAG. ANDREAS STROHHAMMER - LENTOS KUNSTMUSEUM LINZ
Marie Ruprecht arbeitet in Werkgruppen, die technisch perfekt ausgefeilt und ebenso experimentell ihre individuelle Weltsicht aufzeigen. Im Sinne einer Spurensicherung dokumentiert sie Gegenstände des täglichen Gebrauchs und damit auch Alltagsgeschichten. Marie Ruprecht schafft Gedankenräume mit Objekten, die uns manchmal sehr vertraut sind, aber in ihrer fragmentarischen Reproduktion gerne rätselhaft und spannend bleiben. Oftmals konservieren sie einen Moment und betonen dadurch ihre Zeitlosigkeit. Die minimalistische, formale Umsetzung kann den Inhalt nicht besser transportieren: ohne farbige Opulenz sensibilisiert uns das Werk Marie Ruprechts. Das Locard´sche Prinzip besagt, dass bei Berührung zweier Gegenstände an beiden immer eine Spur zurückbleibt. Dies gilt nicht nur für ihr Arbeitsprinzip, sondern im übertragenen Sinn auch für uns Betrachter in der Auseinandersetzung mit der Kunst Marie Ruprechts.
Marie Ruprecht arbeitet in Werkgruppen, die technisch perfekt ausgefeilt und ebenso experimentell ihre individuelle Weltsicht aufzeigen. Im Sinne einer Spurensicherung dokumentiert sie Gegenstände des täglichen Gebrauchs und damit auch Alltagsgeschichten. Marie Ruprecht schafft Gedankenräume mit Objekten, die uns manchmal sehr vertraut sind, aber in ihrer fragmentarischen Reproduktion gerne rätselhaft und spannend bleiben. Oftmals konservieren sie einen Moment und betonen dadurch ihre Zeitlosigkeit. Die minimalistische, formale Umsetzung kann den Inhalt nicht besser transportieren: ohne farbige Opulenz sensibilisiert uns das Werk Marie Ruprechts. Das Locard´sche Prinzip besagt, dass bei Berührung zweier Gegenstände an beiden immer eine Spur zurückbleibt. Dies gilt nicht nur für ihr Arbeitsprinzip, sondern im übertragenen Sinn auch für uns Betrachter in der Auseinandersetzung mit der Kunst Marie Ruprechts.
Documentation of traces
MAG. ANDREAS STROHHAMMER - LENTOS ART MUSEUM LINZ
Marie Ruprecht works in groups of works that are technically perfectly sophisticated and just as experimentally demonstrate her individual world view. In the sense of securing evidence, she documents objects of daily use and thus also everyday stories. Marie Ruprecht creates thought spaces with objects that are sometimes very familiar to us, but in their fragmentary reproduction remain enigmatic and exciting. They often preserve a moment and thereby emphasize their timelessness. The minimalist, formal implementation cannot transport the content better: without colorful opulence, Marie Ruprecht's work sensitizes us. Locard's principle states that when two objects touch, a trace always remains on both. This applies not only to her working principle, but also, figuratively speaking, to us viewers in dealing with Marie Ruprecht's art.
Marie Ruprecht works in groups of works that are technically perfectly sophisticated and just as experimentally demonstrate her individual world view. In the sense of securing evidence, she documents objects of daily use and thus also everyday stories. Marie Ruprecht creates thought spaces with objects that are sometimes very familiar to us, but in their fragmentary reproduction remain enigmatic and exciting. They often preserve a moment and thereby emphasize their timelessness. The minimalist, formal implementation cannot transport the content better: without colorful opulence, Marie Ruprecht's work sensitizes us. Locard's principle states that when two objects touch, a trace always remains on both. This applies not only to her working principle, but also, figuratively speaking, to us viewers in dealing with Marie Ruprecht's art.
minimalistisch und reduziert
MAG. MARGOT NAZZAL - LEITUNG DIREKTION KULTUR UND GESELLSCHAFT LAND OBERÖSTERREICH
Marie Ruprechts Arbeiten vereinen sich meist in Werkgruppen. Ihre künstlerische Arbeitsweise ist geprägt von ihrer Liebe zum Experiment in Hinblick auf das verwendete Material. Das Ausprobieren neuer künstlerischer Techniken gehört wie selbstverständlich zu ihrem künstlerischen Habitus. Die Besonderheiten der jeweiligen Techniken fließen in die visuelle Gestaltung mit ein. Ruprechts Werke schaffen Gedankenräume, denen es als Betrachtende nachzuspüren gilt. Die Umsetzung ist dabei oft minimalistisch und reduziert, dennoch finden sich Elemente des Vertrauten in ihnen und lassen uns in unserer Betrachtung innehalten.
Marie Ruprechts Arbeiten vereinen sich meist in Werkgruppen. Ihre künstlerische Arbeitsweise ist geprägt von ihrer Liebe zum Experiment in Hinblick auf das verwendete Material. Das Ausprobieren neuer künstlerischer Techniken gehört wie selbstverständlich zu ihrem künstlerischen Habitus. Die Besonderheiten der jeweiligen Techniken fließen in die visuelle Gestaltung mit ein. Ruprechts Werke schaffen Gedankenräume, denen es als Betrachtende nachzuspüren gilt. Die Umsetzung ist dabei oft minimalistisch und reduziert, dennoch finden sich Elemente des Vertrauten in ihnen und lassen uns in unserer Betrachtung innehalten.
Minimalist and Reduced
MAG. MARGOT NAZZAL – HEAD OF THE CULTURE AND SOCIETY DEPARTMENT, UPPER AUSTRIA
Marie Ruprecht's works usually come together in groups. Her artistic approach is characterized by her love of experimentation with regard to the material used. Trying out new artistic techniques is a natural part of her artistic habitus. The special features of the respective techniques are incorporated into the visual design. Ruprecht's works create spaces for thought, which we as viewers have to trace. The implementation is often minimalist and reduced, yet elements of the familiar can be found in them and allow us to pause in our observation.
Marie Ruprecht's works usually come together in groups. Her artistic approach is characterized by her love of experimentation with regard to the material used. Trying out new artistic techniques is a natural part of her artistic habitus. The special features of the respective techniques are incorporated into the visual design. Ruprecht's works create spaces for thought, which we as viewers have to trace. The implementation is often minimalist and reduced, yet elements of the familiar can be found in them and allow us to pause in our observation.
ein Stück Seele
MAG. WILTRUD KATHERINA HACKL - JOURNALISTIN & AUTORIN
Marie Ruprechts Arbeiten sind als eine Umdeutung interpretierbar: Landschaften und Horizonte – Fenster in die Welt – verschmelzen zu einer Einheit, stehen für sich selbst, sind sich selbst genug.
Die Natur ist sich in diesen Bildern selbst genug – und gerade durch diese selbstbewusste Haltung, die keiner Hinterfragung bedarf, erhalten die Bilder etwas Zaubrisches. Mit den Prägedrucken von Marie Ruprecht daneben führt uns die Künstlerin wieder näher an die Dinge heran und errichtet doch – wie schon in den Landschaftsdarstellungen auf Leinen – wieder etwas geheimnisvoll Anmutendes, Rätselhaftes rund um sie – ganz so wie es auch das verfitzte Dinge Odradek umgibt, in Franz Kafkas Geschichte. Ein Ding, das ein Eigenleben entwickelt bzw. selbst zum Leben erwacht, dessen Funktionalität schwer zu entschlüsseln ist. Sie finden Odradek übrigens auch hier in dieser Ausstellung wieder, wie er sich als Löffel ausgibt und sich zu einem Bild von Antonia Riederer gesellt.
Diese ihnen in dieser Ausstellung zugeschriebene Fähigkeit, sich zu verändern, sich aufzulösen, gleichzeitig an unterschiedlichen Orten zu sein, uns sowohl immaterielle Erinnerung, Traum, Sehnsucht als auch Angreifbares zu sein, das an unserer Seite bleibt – verleiht den Dingen etwas Lebendiges, etwas Eigenständiges, das wir als Menschen, die wir uns ja nur zu oft als die einzigen fühlenden, denkenden, sprechenden und dadurch mit Rechten ausgestatteten Lebewesen anerkennen, gerne übersehen oder negiert. Hier wird ein weiterer Zugang erkennbar in dieser Ausstellung, der beide Künstlerinnen vereint – die Fähigkeit zu erkennen, dass die vielleicht auf den ersten Blick unscheinbaren Dinge jene sind, die uns im Leben begleiten, erinnern, wichtig sind, auch retten können. Und dass sie es deshalb wert sind, sich mit ihnen mehr als sonst üblich in Bezug zu setzen.
Das vollführt Marie Ruprecht mit ihrer Serie „Die Welt der Dinge“, auf denen sie mit einem Pinselstrich Dinge – und zwar ohne Blick von ihnen abzuwenden – auf Papier bringt, die sich zum Zeitpunkt des Arbeitens in unmittelbarer Nähe befanden: eine Schere, Werkzeuge, ein Schreibtisch etc. Die Künstlerin selbst beschreibt es als eine äußerst intensive Übung, eine Zen Übung fast, mit diesen Dingen in einen Dialog zu treten, sie zu erkennen, und ihre Seele zu Papier zu bringen. Und mit diesem sehr schönen Gedanken möchte ich schließen – sich einzulassen auf die Arbeiten hier in dieser Ausstellung und ein Stück Seele zu erkennen, und wenn es auch nur die eigene sein mag, die sich spiegelt.
Marie Ruprechts Arbeiten sind als eine Umdeutung interpretierbar: Landschaften und Horizonte – Fenster in die Welt – verschmelzen zu einer Einheit, stehen für sich selbst, sind sich selbst genug.
Die Natur ist sich in diesen Bildern selbst genug – und gerade durch diese selbstbewusste Haltung, die keiner Hinterfragung bedarf, erhalten die Bilder etwas Zaubrisches. Mit den Prägedrucken von Marie Ruprecht daneben führt uns die Künstlerin wieder näher an die Dinge heran und errichtet doch – wie schon in den Landschaftsdarstellungen auf Leinen – wieder etwas geheimnisvoll Anmutendes, Rätselhaftes rund um sie – ganz so wie es auch das verfitzte Dinge Odradek umgibt, in Franz Kafkas Geschichte. Ein Ding, das ein Eigenleben entwickelt bzw. selbst zum Leben erwacht, dessen Funktionalität schwer zu entschlüsseln ist. Sie finden Odradek übrigens auch hier in dieser Ausstellung wieder, wie er sich als Löffel ausgibt und sich zu einem Bild von Antonia Riederer gesellt.
Diese ihnen in dieser Ausstellung zugeschriebene Fähigkeit, sich zu verändern, sich aufzulösen, gleichzeitig an unterschiedlichen Orten zu sein, uns sowohl immaterielle Erinnerung, Traum, Sehnsucht als auch Angreifbares zu sein, das an unserer Seite bleibt – verleiht den Dingen etwas Lebendiges, etwas Eigenständiges, das wir als Menschen, die wir uns ja nur zu oft als die einzigen fühlenden, denkenden, sprechenden und dadurch mit Rechten ausgestatteten Lebewesen anerkennen, gerne übersehen oder negiert. Hier wird ein weiterer Zugang erkennbar in dieser Ausstellung, der beide Künstlerinnen vereint – die Fähigkeit zu erkennen, dass die vielleicht auf den ersten Blick unscheinbaren Dinge jene sind, die uns im Leben begleiten, erinnern, wichtig sind, auch retten können. Und dass sie es deshalb wert sind, sich mit ihnen mehr als sonst üblich in Bezug zu setzen.
Das vollführt Marie Ruprecht mit ihrer Serie „Die Welt der Dinge“, auf denen sie mit einem Pinselstrich Dinge – und zwar ohne Blick von ihnen abzuwenden – auf Papier bringt, die sich zum Zeitpunkt des Arbeitens in unmittelbarer Nähe befanden: eine Schere, Werkzeuge, ein Schreibtisch etc. Die Künstlerin selbst beschreibt es als eine äußerst intensive Übung, eine Zen Übung fast, mit diesen Dingen in einen Dialog zu treten, sie zu erkennen, und ihre Seele zu Papier zu bringen. Und mit diesem sehr schönen Gedanken möchte ich schließen – sich einzulassen auf die Arbeiten hier in dieser Ausstellung und ein Stück Seele zu erkennen, und wenn es auch nur die eigene sein mag, die sich spiegelt.
A Piece of Soul
MAG. WILTRUD KATHERINA HACKL - JOURNALIST & AUTHOR
Marie Ruprecht's works can be interpreted as a reinterpretation: landscapes and horizons - windows into the world - merge into a unity, stand for themselves, are enough for themselves.
Nature is enough for itself in these images - and it is precisely through this self-confident attitude, which requires no questioning, that the images acquire something magical. With Marie Ruprecht's embossed prints next to them, the artist brings us closer to things again and yet - as in the landscape depictions on linen - creates something mysteriously appealing, enigmatic around them - just as the tangled thing Odradek surrounds it, in Franz Kafka's story. A thing that develops a life of its own or even comes to life itself, whose functionality is difficult to decipher. You will also find Odradek here in this exhibition, pretending to be a spoon and joining a picture by Antonia Riederer.
This ability, attributed to them in this exhibition, to change, to dissolve, to be in different places at the same time, to be both immaterial memory, dream, longing and tangible, which stays by our side - gives things something living, something independent, which we as humans, who only too often recognize ourselves as the only feeling, thinking, speaking and therefore privileged living beings, like to overlook or deny. Here, another access becomes recognizable in this exhibition, which unites both artists - the ability to recognize that the perhaps at first glance inconspicuous things are those that accompany us in life, remind us, are important, can even save us. And that they are therefore worthy of being related to them more than usual.
Marie Ruprecht accomplishes this with her series "The World of Things," on which, with a single brushstroke, she brings things - without looking away from them - onto paper, which were in the immediate vicinity at the time of working: scissors, tools, a desk, etc. The artist herself describes it as an extremely intensive exercise, almost a Zen exercise, to enter into a dialogue with these things, to recognize them, and to bring their soul to paper. And with this very beautiful thought I would like to close - to get involved with the works here in this exhibition and to recognize a piece of soul, even if it may only be one's own, which is reflected.
Marie Ruprecht's works can be interpreted as a reinterpretation: landscapes and horizons - windows into the world - merge into a unity, stand for themselves, are enough for themselves.
Nature is enough for itself in these images - and it is precisely through this self-confident attitude, which requires no questioning, that the images acquire something magical. With Marie Ruprecht's embossed prints next to them, the artist brings us closer to things again and yet - as in the landscape depictions on linen - creates something mysteriously appealing, enigmatic around them - just as the tangled thing Odradek surrounds it, in Franz Kafka's story. A thing that develops a life of its own or even comes to life itself, whose functionality is difficult to decipher. You will also find Odradek here in this exhibition, pretending to be a spoon and joining a picture by Antonia Riederer.
This ability, attributed to them in this exhibition, to change, to dissolve, to be in different places at the same time, to be both immaterial memory, dream, longing and tangible, which stays by our side - gives things something living, something independent, which we as humans, who only too often recognize ourselves as the only feeling, thinking, speaking and therefore privileged living beings, like to overlook or deny. Here, another access becomes recognizable in this exhibition, which unites both artists - the ability to recognize that the perhaps at first glance inconspicuous things are those that accompany us in life, remind us, are important, can even save us. And that they are therefore worthy of being related to them more than usual.
Marie Ruprecht accomplishes this with her series "The World of Things," on which, with a single brushstroke, she brings things - without looking away from them - onto paper, which were in the immediate vicinity at the time of working: scissors, tools, a desk, etc. The artist herself describes it as an extremely intensive exercise, almost a Zen exercise, to enter into a dialogue with these things, to recognize them, and to bring their soul to paper. And with this very beautiful thought I would like to close - to get involved with the works here in this exhibition and to recognize a piece of soul, even if it may only be one's own, which is reflected.